28.05.2009

6. Sitzung - historischer und kultureller Kontext


Ein Referat zur Geschichte der Raumfahrt erschließt uns die Entwicklung von Raketen und Raumfahrzeugen sowie den space race während des Kalten Krieges und führt die Diskussion einmal mehr zu Kubricks akribischer Recherche u.a. bezüglich der Raumfahrtästhetik.


Sputnik 1

Anschließend wenden wir uns der Popkultur der 60er Jahre zu. Von der "Stargate"-Sequenz lässt sich eine Verbindung zu halluzinogenen Drogen aufbauen. Ein Ausschnitt aus The Trip (R.: Roger Corman, USA 1967) zeigt, dass Drogentrips im zietgenössischen Kino präsent waren und wie sie aufbereitet wurden. Die typischen farbenfrohen Muster lassen sich auch in weiteren Filmen entdecken, z.B. in der Science Fiction-Soap Opera Barbarella aus dem gleichen Jahr wie 2001 (R.: Roger Vadim, USA 1968) oder Modesty Blaise (R:: Joseph Losey, UK 1966). Letzterer bedient sich in besonderem Maße einer Op-Art-Ästhetik - die typischen, "Augenflimmern" verursachenden Muster sind hier auf Wänden, Einrichtungsgegenständen oder Kleidungsstücken anzutreffen.


Bridget Riley: Movement in Squares, 1961.

Zum Abschluss sehen wir Terrore nello spazio (dt. Titel: Planet der Vampire, R.: Mario Bava, I/E 1965), in dem die Menschheit ebenso fernab im All auf eine körperlose Intelligenz trifft. Diese Geist-Lebewesen bedienen sich parasitär der Körper der Raumfahrer, um ihren sterbenden Planeten zu verlassen und einen neuen zu besiedeln.


K

21.05.2009

5. Sitzung - Raum & Zeit


Nach einem kurzen Nachtrag zum Dialog und Ton in 2001 wenden wir uns in dieser Sitzung den Darstellungen von Raum und Zeit zu.
Nach einer Diskussion zur Schlusssequenz - in der zwar das Zeitgefüge durcheinander gerät, aber nicht der Raum, so gibt es bspw. Schwerkraft - reden wir auf Grundlage der Seminarlektüre über Gravitation im Film.



Wir kommen überein, dass 2001 in gewissem Sinne mit Schwerkraft und der damit verbundenen Orienientierung spielt und so für Desorientierung sorgt. Desorientiert ist sowohl der Zuschauer als auch die Figuren, die oft aus seltsamen Winkeln aufgenommen sind und - im Gegensatz zu HAL - verhältnismäßig schnell die Kontrolle, wenn nicht sogar das Leben, verlieren.



Das Verhältnis von Mensch und Raum, das wir zunächst bspw. an der ersten Aufnahme innerhalb der Discovery, untersuchen, führt uns zu weiteren Filmen von Kubrick. Einige Screenshots aus Barry Lyndon (1975) und Ausschnitte aus The Shining (1980) lenken einen Blick auf Kubricks generelle Darstellung von Räumen. Ebenfalls anhand von The Shining und der Endsequenz aus 2001 lässt sich die Zirkularität der Verläufe festestellen. Der in der Literatur vorgeschlagene Begriff des "ubiquitous space" (S. Mamber), als Raum, der alle seine Zeiten in sich vereint, wird jedoch angezweifelt. In beiden Filmen sind nicht alle Zeiten gleichzeitig präsent, sondern nur bestimmte Zeiten (in The Shining die Hotelparty aus dem Jahr 1921, auf die Jack Torrence gerät, in 2001 die einzelnen Alterungsstufen David Bowmans).



Außerdem reden wir über die großzügige Darstellung von Räumen, z.B. der Korridore in The Shining oder de Landschaften in Barry Lyndon sowie der großzügigen Raumschiffe und -stationen in 2001. Im Gegensatz dazu steht die beengte Ein-Raum-Rakete in Destination Moon (Irving Pichel, USA 1950), den wir anschließend sichten.



K

19.05.2009

4. Sitzung - Musik


Eine kurze theoretische Einführung auf der Grundlage der Seminarlektüre erschließt uns den Begriff der Akusmatik, von altgr. ἅκουσματικοι = "jene, die hörend teilnehmen". Vorbereitend haben wir in der vergangegen Woche Das Testament des Dr. Mabuse (F. Lang, D 1933) angesehen, das uns einen Akusmaten par excellence vorführte.
Das Konzept der Akusmatik nach Michel Chion lässt sich im Bezug auf 2001 auf HAL 9000 anwenden: er ist die omnipräsente, omnipotente, körperlose Stimme, die durch ihre "de-acoumatization" (Daves Eintritt ins "Logic Memory Center") jegliche Macht verliert.

Überhaupt sind nur 42 von 160 min mit Dialogen gefüllt, die sich zudem durch bemerkenswert banale Inhalte auszeichnen. Im Vakuum des Weltraums herrscht konsequenterweise Stille, bis auf das Gespräch zwischen HAL und dem ausgesperrten Dave. Im Kontrast zu dieser minimalistischen Lautlosigkeit steht die zum Teil sehr pompöse Musikuntermalung, z.B. durch "An der schönen blauen Donau" oder "Also sprach Zarathustra". In der Verwendung vorhandener Musikstücke anstatt eines (zu diesem Zeitpunkt seit Jahrzehnten üblichen) für den Film komponierten Soundtracks, greift 2001 auf eine Praxis des frühen Stummfilms zurück. Unter anderem wegen dieses oft als primitiv und willkürlich gedeuteten Umgangs mit Musik wurde Kubrick nach den Uraufführungen von 2001 gern kritisiert.

Nach der Sichtung einzelner Szenen, z.T. mit alternativer Tonspur (die im Vergleich zum eigenwilligen endgültigen Soundtrack von 2001 deutlich an Wirkung missen lässt), widmen wir uns zum Schluss dem "Ableben" von HAL 9000. In dieser Szene entdecken wir ein Zeugnis von Kubricks penibler Recherche: Das Kinderlied "Daisy Bell", das HAL - zurückgeworfen in seine erste Stunde - singt, ist das erste Lied, das eine computergenerierte Stimme gesungen hat. Aufgrund der Häufigkeit von Vokalen schien es besonders geeignet, um es 1961 dem IBM (!) 7094 beizubringen.




K

12.05.2009

Pink Floyd and the ending of "2001"


Zu den schönsten Verschwörungstheorien, mindestens aber zu den schönsten Zufällen der Filmgeschichte, gehört die Tatsache, dass Pink Floyds episch ausladendes Stück Echoes vom Album "Meddle" sich als verblüffend synchron zur Sequenz Jupiter and beyond the Infinite erweist. Wikipedia:
Similar to the the Dark Side of the Rainbow effect, it is rumoured[7] that "Echoes" synchronizes with Stanley Kubrick's 1968 film 2001: A Space Odyssey when played concurrently with the final segment (entitled "Jupiter and Beyond the Infinite").

"Echoes" was released 3 years after the film and is 23 minutes and 31 seconds in length, similar to the "Infinite" segment. Sounds in the middle part of the song suggest to some listeners the feeling of travelling through an alien world. The drone vocalizations heard in the final scenes of 2001 seem to match with the discordant bass vibrations in the middle of "Echoes" as well the choral glissandos of its finale. Some argue that there are moments when the song and film soundtrack are nearly indistinguishable. Another notable link occurs during a change in scene at precisely the moment when guitar and keyboards crescendo as the lyrics re-enter for the final verse. Almost as a bonus, the early lyrics contain references to planets, which seems entirely suitable for the film's depiction of Jupiter and its moons. Adrian Maben re-created this marriage of music and image in his director's cut of Live at Pompeii using CGI.

The members of the band always denied that the synchronization was intentional. Furthermore, the technology to play back film in a recording studio circa 1971 would have been expensive and difficult for the band to acquire. Roger Waters is sometimes quoted as saying that the band's failure to contribute music on 2001's official score was his "greatest regret"[7].

The 1973 George Greenough film "Crystal Voyager" concludes with a 23 minute segment in which the full length of "Echoes" accompanies a montage of images shot by Greenough from a camera mounted on his back while surfing on his kneeboard.
Auf VideoGoogle findet sich eine synchronisierte Fassung von Echoes und "2001":


2001: Premiere.

Ein kleines Fundstück: Stanley Kubrick bei der Weltpremiere von "2001".

3. Sitzung - Allgemeine Diskussion


Mit einem instruktiven Inputreferat über die zeitgenössischen Reaktionen beginnt G. die Sitzung. In dessen Verlauf stellt sich heraus, dass "2001" zu seiner Welturaufführung eher skeptische, durchwachsene und irritierte Reaktionen hervorrief. Über die visuelle und technische Brillanz besteht zwar weithin Konsens, bemängelt werden aber u.a. die faktischen und gefühlten Längen des Films, die mäßig entwickelten Charaktere und das Fehlen eines klassischen Plots: Eine erste Spur für uns, dass die üblichen Parameter zur Bewertung klassischer Hollywoodfilme für "2001" eher nicht geeignet sind.

Dass solche Überforderungen - auch wenn der Film mittlerweile fest im Kanon einsortiert ist - noch heute und gerade auch an uns selbst zu beobachten sind, leitet uns zur freien und assoziativen Diskussion unserer Beobachtungen über. Dass der Film Längen aufweist, steht außer Frage; überraschend vor dem Hintergrund gewandelter Sehgewohnheiten aber ist, dass "2001" auch 1968 als krasse Entschleunigung wahrgenommen wurde.
Ein Hinweis auf die bereits entschleunigend wirkende Ouvertüre führt uns zu allgemeinen Beobachtungen des Musikeinsatzes in "2001". Auffällig ist, dass die Musik vor allem Maschinenauftritte, selten aber menschliche Aktivitäten untermalt: Raumschiffe tanzen vergnügt im All, sogar eine sexuelle Vereinigung wird angedeutet. Demgegenüber erscheinen Menschen in "2001" als einer blanken Rationale folgende Funktionsträger, geradeso als hätten sie - begreift man "2001" als eine Seinsgeschichte des Menschen unter dem Horizont seines Verhältnisses zu seiner Technik - emotionale und ästhetische Aspekte ihres Seins im Zuge in die Technologie exkorporiert. So ist es denn auch der Bordcomputer HAL 9000, der in "2001" am "menschlichsten" erscheint: Er neigt zu Fehlern und Hybris, ist eitel und rachsüchtig und bettelt bei seiner Entmachtung um Gnade. Vor diesem Hintergrund lässt sich der Schluss von "2001" als Überwindung der materiellen Angewiesenheiten des Menschen deuten, als Schwellenschritt einer neuen Seinsstufe des Menschen.

Zum Ende hin diskutieren wir noch einige kunstgeschichtliche Aspekte. Festgestellt wird hierbei die ikonografische Nähe der Szene mit dem gealterten Bowman auf dem Sterbebett zu Michelangelos "Adam", sowie die Ähnlichkeit zwischen dem Monolithen und dem "Schwarzen Quadrat" von Malewitsch.